Einführung
Dieser Maßnahmenkatalog wurde im Rahmen des Projekts „Potenziale und Praxisprogramm zur Erhöhung der ökologischen Vielfalt in Erwerbsobstanlagen und Streuobstwiesen“, kurz: “Ökologische Vielfalt in Obstanlagen” im Teil „Ökologische Produktion“ ausgearbeitet. Das Projekt umfasste außerdem die Teile Streuobstjunganlagen und integrierte Produktion. Mehr Infos unter https://biodivobst.uni-hohenheim.de/projektteiloeko.html. Dieses Projekt (FKZ 3514685A-F27) wurde von 2016 bis 2022 vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz sowie mit Mitteln der Bundesländer Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg und Sachsen gefördert.
Ziel des Projekts war es unter anderem, einen Katalog von Maßnahmen zur Förderung der Artenvielfalt für den ökologischen Obstbau zusammenzustellen. Dabei sollen die Maßnahmen, sowohl was den naturschutzfachlichen Erfolg als auch was die Einbindung in das Anbausystem betrifft, in der Praxis evaluiert sein. Im Katalog werden Nutzen und Risiken für die Obstbäuerinnen und Obstbauern als auch der positive Effekt für die Natur dargestellt.
Der Maßnahmenkatalog besteht aus vier Teilen:
- Übersichtstabelle mit Leitartengruppen und Maßnahmen
- Maßnahmensteckbriefe, kurze Beschreibung der Maßnahmen auf jeweils einer Seite
- Anleitungen zur Durchführung der Maßnahmen mit vertieften Informationen, Erfahrungen und Ergebnissen aus dem Projekt aus den verschiedenen Regionen und aus der Literatur, Tipps und Tricks, Bezugsquellen und weiterführenden Links. Anleitungen wurden nur erstellt, wenn außer dem Steckbrief noch zusätzliche Informationen notwendig erschienen.
- Artensteckbriefe für die Leitartengruppen und wichtige Einzelarten. Diese sind derzeit noch nicht eingestellt.
In der Übersichtstabelle sind die Steckbriefe und die Anleitungen jeweils als einzelnes pdf-Dokument verlinkt. Die Anleitungen und Artensteckbriefe sind nur online verfügbar und werden laufend dem jeweiligen Stand des Wissens angepasst. Eine Broschüre mit allen Maßnahmensteckbriefen ist als gedrucktes Handout verfügbar und kann als pdf-Dokument unter dem Menüpunkt „Sonstige Informationen“ heruntergeladen werden.
Unter diesem Menüpunkt sind auch viele Zusatzinformationen zu finden wie z.B. die Anleitung zum Nagermanagement in Anlagen mit Blühstreifen oder die Gehölzliste.
Der Menüpunkt „Bestimmungshilfen“ enthält entsprechende Links aber auch einige eigene Informationen wie z.B. die Fotos verschiedener Stadien der für die Blühstreifen empfohlenen Wildkräuter.
Um sicherzustellen, dass nur Maßnahmen in den Katalog Eingang finden, die von den Betrieben als praktikabel und sinnvoll angesehen werden, wurden die Maßnahmen über das Arbeitsnetz zur Weiterentwicklung der Fördergemeinschaft Ökologischer Obstbau e.V.(FÖKO) mit den delegierten Praxisbetrieben der FÖKO, den Versuchsanstellenden und Vertreterinnen und Vertretern der Ökoverbände diskutiert und über die Aufnahme abgestimmt. In einigen Fällen wurden Maßnahmen in den Katalog aufgenommen, die sich noch im Versuchsstadium befinden. Sie sind entsprechend gekennzeichnet.
In die Evaluierung gingen im Wesentlichen wissenschaftliche Erhebungen zu naturschutzfachlichen und obstbaufachlichen Maßnahmeneffekten ein, die an 21 Standorten auf 16 Pilotbetrieben in fünf Obstbauregionen durchgeführt wurden. Die Erhebungen erstreckten sich über einen Zeitraum von fünf Jahren. Untersucht wurde der Effekt eines Maßnahmensets aus Blühstreifen in der Fahrgasse, Hochstaudensaum und Ankerpflanzen. 710.876 Insekten und Spinnen wurden durch diese Erhebungen nachgewiesen. Zusätzlich gingen aber auch Feldbeobachtungen (etwa Blattläuse und Nützlinge an Ankerpflanzen), Erfahrungen aus über 110 weiteren Ringbetrieben, die im Rahmen des Projekts Maßnahmen umgesetzt haben, sowie die verfügbare Literatur in die Evaluierung der Maßnahmen mit ein. Wenn ein Effekt auf dieser Basis nachgewiesen wurde, ist dies im Steckbrief vermerkt. Ist ein Effekt einer Maßnahme wahrscheinlich, aber bisher nicht eindeutig nachgewiesen, wird dies als „anzunehmen“ ausgewiesen.
Grafik
Um den Nutzen für die Natur zu erheben und darzustellen, haben wir verschiedene Leitartengruppen ausgewählt. Diese Leitartengruppen sind wie folgt charakterisiert:
- Der „Lebensraum Obstanlage“ eignet sich potenziell für sie, ggf. erst nach einer entsprechenden Aufwertung.
- Sie nutzen in irgendeiner Form die Ressourcen, die von den Maßnahmen zur Verfügung gestellt werden.
- Sie sind Indikatoren für den Artenreichtum von Biozönosen oder sie sind als Nützlinge von obstbaufachlicher Bedeutung.
Die Leitartengruppen wurden in den meisten Fällen auf Basis taxonomischer Kriterien festgelegt (z. B. Heuschrecken). Dabei wurde in einigen Fällen die Gruppe noch einmal nach funktionellen Gesichtspunkten, d. h. nach ähnlichen ökologischen Ansprüchen unterteilt (z. B. Kleinvögel, Greifvögel, Wasservögel). Untergruppen einer großen Artengruppe mit besonderen Eigenschaften und hoher Relevanz wurden ggf. gesondert betrachtet, z. B. Hummeln, die systematisch zu den Wildbienen gehören. Wenn nur ein bestimmter Teil einer Gruppe für die Aufwertung relevant war, wurde diese entsprechend benannt (z. B. Wiesenwanzen).
Zwei Artengruppen von hoher Relevanz wurden nicht auf Basis der Taxonomie, sondern nach ihrer Bedeutung als Nützlinge in Obstanlagen festgelegt: Unter „Blattlausfeinde“ sind alle Prädatoren von Blattläusen zusammengefasst. Schwebfliegenarten, deren Larven Blattlausfeinde sind, werden dann sowohl unter dieser Gruppe als auch der Artengruppe „Schwebfliegen“ geführt. Dieser Gruppe sind auch die Schwebfliegenarten zugeordnet, deren Larven in Totholz oder in Pflanzen leben und daher nicht als Nützlinge in Erscheinung treten.
Unter „Parasitoide“ werden als Nützlinge relevante Arten, die Schalenwickler, Pfennigminiermotte, Blattläuse, Wanzeneier oder Apfelwickler parasitieren, aber auch alle anderen Arten, die Insekten parasitieren, verstanden.
Einzelne regional naturschutzfachlich relevante Arten mit besonderen Ansprüchen (etwa Steinkauz, Wendehals) wurden als Einzelarten aufgeführt.
Die Wirksamkeit der Maßnahmen zeigt sich bei den Leitartengruppen über eine Erhöhung der Individuenzahl und/oder über ein breiteres Artenspektrum.
Da die Artengruppen aus Gründen der Übersichtlichkeit relativ groß gehalten werden mussten, sind einige Maßnahmen oft nur für einen Teil der Artengruppe mit klar abgegrenzten ökologischen Ansprüchen relevant (z. B. Wildbienennisthilfen aus Holz nur für hohlraumbrütende Wildbienen oder Hochstaudensaum für samenfressende Kleinvögel).
Um eine Orientierung zu geben, welche Bedeutung eine Maßnahme für die einzelnen Artengruppen haben kann, wurde eine Übersichtstabelle erstellt. Diese Tabelle hat nur orientierenden Charakter, soll aber eine Vorstellung davon vermitteln, welche Ressourcen eine Maßnahme für die verschiedenen Artengruppen bereitstellt.
Als Ressourcen wurden Nahrung (z. B. Nektar und Pollen von Blühstreifen), Reproduktionsmöglichkeiten (z. B. Nisthilfen), Überwinterungsmöglichkeiten (z. B. Reisighaufen für Igel, über den Winter hochstehende Vegetation für verschiedene Insekten) und Schutz, Deckung und Lebensraum (z. B. Steinhaufen für Wiesel oder hochstehende Vegetation für Insekten) berücksichtigt. Ist die Ressource nur für einen Teil der Artengruppe mit klar abgegrenzten ökologischen Ansprüchen relevant, wird dies entsprechend vermerkt (siehe Legende Tabelle).
Bei vielen Maßnahmen hängt es sehr stark von der Ausprägung der Maßnahme ab, welche Ressourcen sie bereitstellt. Wird z. B. der Mittelstreifen mit natürlicher Vegetation extensiv gemulcht, kann das auf guten Böden in einen reinen Gras- und Kleestreifen resultieren. Auf sandigeren Böden ist dagegen eine hohe Artenvielfalt blühender Pflanzen möglich. In diesem Fall findet sich unter dem Icon für die Ressource ein kleiner schraffierter Kreis (siehe Legende Tabelle).
Als Orientierung für die Bedeutung der Maßnahme für die jeweiligen Artengruppen werden drei verschiedene Grünschattierungen verwendet. Dieser Einteilung liegt eine grobe Abschätzung in Form einer Nutzwertanalyse zugrunde, die zu Projektende auf Basis der Ergebnisse und der Literaturauswertung durchgeführt wurde. Dabei wurde der Effekt der Maßnahme auf die Erhöhung von Individuenzahl und Artenvielfalt der jeweiligen Artengruppe betrachtet. In die Bewertung gingen außerdem noch der Flächeneffekt der Maßnahme und die Dauer des Ressourcenangebots im Jahresverlauf ein. Dabei wurde die Erhöhung der Artenvielfalt mit 40 %, die anderen Faktoren mit jeweils 20 % gewichtet.
Nicht alle Maßnahmen müssen für die Kontrollstelle dokumentiert werden. Dabei beziehen wir uns nicht auf die Biodiversitäts-Richtlinien einzelner Verbände, sondern auf die derzeit gängige Betriebskontrolle, bei der diese Maßnahmen nicht erfasst werden. Allerdings ist beim Einbringen aller Materialien in den Betrieb grundsätzlich das Risiko für eine Kontamination mit nicht zugelassenen Stoffen zu berücksichtigen. Darauf haben wir nicht jedes Mal Bezug genommen, sondern dort “derzeit nicht relevant” eingetragen, wo zum jetzigen Zeitpunkt keine direkte Pflicht zur Dokumentation besteht.